Unsere Positionierung

Nachhaltigkeit in Krisenzeiten

Nachdem das Jahr mit einer stürmischen Debatte um die Frage begann, ob Gas und Atomenergie als nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten klassifiziert werden sollen, überschattet der Ukraine-Krieg seit Ende Februar die Nachrichtenlage. Wie positioniert sich die Bank für Kirche und Diakonie in den wichtigen Themen unserer Zeit?

Interaktiv: Ausgabe 1 | 2022

21. April 2022

Atomkraft und Erdgas und die EU-Taxonomie

Die EU-Kommission hat im Januar in einem zusätzlichen Rechtsakt unter bestimmten Voraussetzungen Gas- und Atomkraftwerke als nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten eingestuft. Die Finanzierung der Instandhaltung bestehender Gas- und Atomkraftwerke sowie die Errichtung von Kraftwerken einer neuen Generation sollen damit begünstigt werden.

Die Bank für Kirche und Diakonie lehnt dies ab: Wir akzeptieren Gaskraftwerke als Brückentechnologie und halten es durchaus für sinnvoll, bestehende Anlagen zu optimieren. Durch die Klassifikation als nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und die Förderung, die dadurch angestoßen wird, entstehen aber nach unserer Einschätzung falsche Signale an die Industrie und Fehlsteuerungen, die zulasten des Ausbaus erneuerbarer Energien und der dringend erforderlichen Infrastruktur gehen.

Bei der Einstufung der Atomenergie bemängeln wir insbesondere, dass die Risiken und die Auswirkungen auf die folgenden Generationen erheblich sind und die Kosten unterschätzt werden. So ist zum Beispiel die Frage der Endlagerung des radioaktiven Materials nach einem halben Jahrhundert, in dem die Atomkraftwerke in Deutschland in Betrieb sind, noch nicht einmal ansatzweise geklärt. Erst im Jahr 2031 soll feststehen, wo das Endlager für unseren Atommüll entstehen soll.

Unsere Anlagestrategie
Unsere ethisch-nachhaltige Anlagestrategie folgt der Überzeugung, dass Investitionen in regenerative Energien und in den Aufbau der entsprechenden Infrastruktur sinnvoll und nachhaltig sind. Deshalb haben wir unsere Strategie zum Umgang mit Wirtschaftsaktivitäten in den Bereichen Atomkraft und Erdgas im KD-Nachhaltigkeitsfilter, den wir für unsere Eigenanlagen einsetzen, klar formuliert. Wir verstehen Gaskraft als Brückentechnologie, die wir aktuell untergewichten und in die wir langfristig nicht neu investieren wollen. Atomkraft sehen wir dagegen als Form der Energiegewinnung an, für die wir Ausschlusskriterien formuliert haben. Aktien von Energieunternehmen, die große Atomanlagen in Europa betreiben, wie die französische EDF, die tschechische CEZ, die spanische Endesa oder die deutsche RWE, schließen wir aus diesem Grund aus.

Ukraine-Krieg – Sanktionen gegen Russland

Wir halten (finanz-)wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland für ein legitimes und scharfes Schwert im Ukraine-Krieg. Unter den ersten Eindrücken des Kriegs haben wir mit den anderen Kirchen-, Sozial- und Nachhaltigkeitsbanken in Deutschland einen gemeinsamen Aufruf an die Akteure der Finanzwirtschaft veröffentlicht. Darin verurteilen wir den völkerrechtswidrigen Angriff auf die territoriale Unabhängigkeit der Ukraine und jede direkte und indirekte Finanzierung des russischen Angriffskriegs.

Wir fordern von allen Wirtschaftsteilnehmern, ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland zu hinterfragen und genau zu prüfen, ob diese nicht eingestellt werden können. Der Apell richtet sich zudem an die privaten und institutionellen Anleger, die ebenfalls ihre Portfolios kritisch prüfen sollten.

Wie wirkt der KD-Nachhaltigkeitsfilter im Ukraine-Krieg?
Investitionen in russische Staatsanleihen sind wegen des Verstoßes von Russland gegen insgesamt sechs Ausschlusskriterien unseres Nachhaltigkeitsfilters ausgeschlossen. Neben dem völlig unzureichenden Abschneiden im Global Peace Index – dort lag Russland bereits vor dem Angriff auf die Ukraine auf Platz 154 von 163 beobachteten Staaten – haben wir massive Verstöße in folgenden Bereichen festgestellt: Autoritäres Regime, Korruption, Verstöße gegen die Menschenrechte, Verstöße gegen Arbeitsrechte und unzureichender Klimaschutz. In den in Russland tendenziell starken Branchen, zum Beispiel im Bergbau oder in der Öl- und Gas-Förderung, waren wir wegen unserer Divestment-Strategie, die wir seit Jahren anwenden, ebenfalls nicht investiert. Derzeit beobachten wir, wie sich die weltweit agierenden Konzerne verhalten, die Geschäftsbeziehungen zu Russland unterhalten. Wir gehen davon aus, dass wir uns in den kommenden Wochen ein differenziertes Bild davon machen können, wie umfassend die Sanktionen gegen Russland umgesetzt wurden. Abhängig davon werden wir unsere Anlageportfolios anpassen.

Historische Chance für regenerative Energien

Eine weitere Entwicklung, die wir im Blick behalten, ist die Strategie der Bundesregierung, die Abhängigkeit Deutschlands von Öl und Gas aus Russland zu reduzieren. Wir halten die dramatische Entwicklung für einen Weckruf und eine historische Chance, den Ausbau der regenerativen Energien und der erforderlichen Infrastruktur zu beschleunigen. Wenn auf dem Weg dorthin Kooperationen mit Gaslieferanten aus dem Mittleren Osten eingegangen werden müssen, ist das verständlich. Allerdings dürfen wir dabei auf keinen Fall auf die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten und ökologische Mindeststandards verzichten. Das erwarten wir als ethisch-nachhaltige Investoren von der Bundesregierung und unserer Industrie.

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