Interview

Ist die Inflation grün?

Was an den Zapfsäulen sowie bei der Strom- und Gasrechnung längst spürbar ist, bestätigt auch die Entwicklung der Inflation. 2021 betrug der Anstieg der durchschnittlichen Verbraucherpreise 3,1 %. Woher kommt das? Spielt die CO2-Bepreisung eine Rolle? Wir sprachen mit dem ARD-Börsenexperten Markus Gürne, der im Juni Gastredner der Generalversammlung sein wird.

Interaktiv: Ausgabe 1 | 2022

21. April 2022

Markus Gürne ist Ressortleiter der ARD-Börsenredaktion und moderiert das Wirtschaftsmagazin Plus-minus. Er hält für Mitglieder und Gäste der KD-Bank auf der Generalversammlung am 15. Juni 2022 einen Vortrag unter dem Titel „Zeitenwende – Europas Rolle in einer veränderten Welt“.

Die Inflation ist zurück. Auf 7,3 % schnellte der Anstieg der durchschnittlichen Verbraucherpreise im März 2022 nach oben – die höchste Monatsrate seit über 40 Jahren. Welche Entwicklung erwarten Sie für 2022?

Markus Gürne: Die Geopolitik bestimmt neben den Nachwehen von Corona weiterhin die Geldentwertung. Aufgrund des Ukraine-Kriegs werden die Kosten für Energie wohl weiter zulegen. Aber Russland ist nicht nur der weltgrößte Gasexporteur, sondern Russland und vor allem die Ukraine sind wichtige Lieferanten von Weizen und Korn, also Rohstoffen für allerhand Lebensmittel. Daher wird dieser Krieg die Preise weiter oben halten.  Zugleich wird die europäische Zentralbank zwar wahrscheinlich auch den Einstieg in die Zinswende einleiten, aber nicht so stark wie in den USA, wo vier bis fünf Zinsschritte erwartet werden. In Europa werden wir eher einen symbolischen Schritt sehen. Das wird keine Zinswende sein, die den Menschen die Zinsen auf Sparbücher zurückbringt.

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Den Bürgern flattern zurzeit Briefe ihres Energieversorgers mit hohen Strompreis-Nachzahlungen ins Haus. Nach Berechnungen der Wirtschaftsweisen trägt der auf 25 Euro pro Tonne gestiegene CO2-Preis schon jetzt zur hohen Inflationsrate bei. Manche sprechen von einer „Greenflation“, als Folge von grüner Politik und dem steigenden Preis für Kohlendioxid-Emissionen. Umweltexperten halten dem entgegen, dass mit den höheren CO2-Preisen lediglich die Verursacher des Klimawandels zur Kasse gebeten würden und damit die schädlichen Folgen für den Planeten korrekt bewertet würden. Wie beurteilen Sie das?

Markus Gürne: CO2 hat einen Preis und der ist auch politisch gewollt. Wer viel ausstößt, soll mehr bezahlen, das ist der Grundsatz, und der betrifft Heizen ebenso wie Tanken. Und damit trägt diese Entscheidung auch dazu bei, dass Kosten steigen. Die neue Bundesregierung hatte bereits in den Koalitionsverhandlungen erklärt, dass es Zumutungen geben wird. Das ist die logische Folge, aber der „CO2-Preis“ ist nicht der große Batzen bei der Inflation, das sind die oben genannten.

Was raten Sie Geldanlegern für 2022? Wo liegen besondere Chancen nach Ihrer Einschätzung?

Markus Gürne: Dieses Jahr wird wieder Achterbahnfahrt angezeigt sein, und das Jahr wird deutlich unruhiger als das vergangene, das ein besonders gutes Jahr war. 2022 sind wir immer noch in einer besonderen Lage wegen Corona, erleben einen Krieg in der Ukraine. Hinzu kommen eine deutlich länger durch das Jahr wirkende Inflation und eine Notenbankpolitik, die sich verändern wird. Das bedeutet, flexibel und vor allem aufmerksam zu sein, denn die Auswirkungen kommen schnell. Die Entscheidung der Politik, nicht nur in Deutschland, die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben, klimafreundliche Produktion und klimaneutrale Produkte zu erreichen, wird viel Kapital benötigen – nicht nur öffentliches Geld, sondern auch privates Kapital. Das bedeutet, dass es viele Möglichkeiten geben wird, Geld mit gutem Gewissen in nachhaltige Produkte zu investieren.

Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Gürne.

Quelle: DZ Bank

Unsere Meinung

Was bedeutet das für Geldanleger?

 

Herr Booken, was raten Sie Anleger/-innen? Wo liegen besondere Chancen nach Ihrer Einschätzung? Unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine. Wir verurteilen in aller Schärfe den Angriff Russlands und sind zutiefst besorgt darüber, dass die russische Regierung die Grenzen eines souveränen Lands und somit die Friedensordnung in Europa infrage stellt. Alle Menschen haben ein Recht darauf, in Freiheit und Demokratie zu leben.

Mit Blick auf die Kapitalmärkte verlief der Jahresstart in der Folge auch alles andere als gut. Die wichtigen Assetklassen Anleihen und Aktien haben auf globaler Sicht verloren, natürlich mit regionalen Unterschieden. Auslöser sind steigende Zinserwartungen, die durch eine rasant steigende Inflation ausgelöst worden sind. Hinzu kommen die geopolitischen Einflüsse, jetzt allen voran die kriegerischen Entwicklungen in der Ukraine. Das Ausmaß der Eskalation ist bei Weitem noch nicht absehbar. Wir befinden uns in einem Umfeld mit vielen Unsicherheiten; auch die Coronapandemie ist noch nicht überstanden. Angesichts der starken Veränderungen, die wir in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft erwarten, wird mit dem Blick auf Kapitalanlagen ein aktives Management immer wichtiger. Eine breite Diversifikation über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Themen hilft bei der Risikominimierung. Und eine Beimischung von aussichtsreichen Megatrends – denken Sie an die Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Mobilität oder Gesundheit – kann die Rendite verbessern. Hier liegen für innovative Unternehmen und Investoren Chancen. Anleger können den ersten Schritt machen, indem Sie ihre Vermögensstruktur an die veränderten Gegebenheiten anpassen oder zielgerichtet in entsprechende Produkte investieren. Auch eine Vermögensverwaltung ist eine geeignete Lösung für Anleger, die die Entwicklungen an den Kapitalmärkten nicht selbst laufend verfolgen möchten, ein aktives professionelles Management nutzen wollen und ihre Vermögenswerte – individuell risikoadjustiert, professionell allokiert und gestreut – anlegen wollen. Lassen Sie sich beraten!

Mike Booken ist Direktor des Bereichs Nachhaltige Geldanlagen & Wertpapiere bei der Bank für Kirche und Diakonie. Rund 4,4 Mrd. Euro haben Kundinnen und Kunden der KD-Bank in Wertpapiere, Investmentfonds und Vermögensverwaltungen investiert.

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